80 Jahre nach der Flucht – Zeit sich zu erinnern
„Die Erinnerungen sind ein Teil unserer Geschichte, auch hier in Flieden“, betonte Fliedens Bürgermeister Christopher Gärtner in seinen Begrüßungsworten. „Die Zeitzeugen, die diese Flucht damals mitgemacht haben, sind inzwischen hochbetagt“, führt er weiter aus. Umso wichtiger ist es, ihnen nochmal zuzuhören. Sie erzählen zu lassen, damit die Erinnerungen lebendig und sichtbar bleiben. Deshalb war es ihm wichtig, ihnen mit solch einer Veranstaltung die Gelegenheit dafür zu bieten.
Ein Raum zum Erinnern ist auch die Ostdeutsche Heimatstube in Flieden. Sie entstand 1996 auf Anregung des damaligen Bürgermeisters Ludwig Ebert und wurde durch das Engagement der Vertriebenen Karl und Erich Großer, Berthold Beutel und Walter Kunzendorf mit Erinnerungen gefüllt. Christopher Gärtner übergab im Rahmen der Veranstaltung den Nutzungsvertrag, der die Zukunft der Heimatstube sichert, „damit die Geschichte und das Erinnern erhalten bleibt“.
„Die Geschichte darf nicht in Vergessenheit geraten“, appellierte auch der Landtagsabgeordnete Andreas Hofmeister, Landesbeauftragter für Heimatvertriebene und Spätaussiedler, der extra nach Flieden gekommen ist. Denn die Geschichte der Heimatvertriebenen gehört zur deutschen Geschichte dazu und ist insbesondere auch ein Teil der hessischen Geschichte. Ohne die Vertriebenen gäbe es beispielsweise keinen Hessentag. Dieser wurde 1961 eingeführt, damit diejenigen, die in Hessen ein neues Zuhause gefunden haben, mit den Alteingesessenen in Kontakt kommen und sich kennenlernen können. Andreas Hofmeister erläuterte, wie das Land Hessen die Geschichte der Heimatvertriebenen würdigt, was es für Möglichkeiten gibt, sich damit auseinanderzusetzen und freute sich, dass grade bei der jüngeren Generation das Interesse für das Thema steigt.
Im Anschluss lud Bürgermeister Christopher Gärtner die mehr als 60 Gäste dazu ein, selbst von ihren Erfahrungen zu erzählen. Das Angebot nahmen viele gerne an. Walter Kunzendorf hatte sich Gedanken dazu gemacht, was Heimat für ihn bedeutet. Er erzählte, wie er als Kind in Flieden aufgenommen wurde, dass er viele neue Freunde gefunden hatte und sich hier nun heimisch fühlt. Marta Wagner, vor kurzem 100 Jahre alt geworden, berichtete, wie sie mit ihrer Familie auf einem Pferdewagen geflohen ist. Und wie lange sie gebraucht hatte, bis sie in ihrer neuen Heimat Flieden ankam. Deutlich wurde, dass es für alle damals eine schwere Zeit war. Doch es gab auch Hoffnung. Und mit viel Mut und Kraft haben sie einen Neuanfang machen müssen, der auch gute Erinnerungen weckte. Der ein Leben ermöglichte, auf das sie heute mit Stolz und Glück zurückblicken können. Am Ende der Veranstaltung konnten sich die Gäste bei Kaffee und Kuchen austauschen und miteinander ins Gespräch kommen.
